Lasst die Leute wieder arbeiten!

Teamwork wird überbewertet.

Wer traut sich, diesen Satz bei Ihnen im Büro auszusprechen? Und einfach mal so stehen zu lassen? Sicherlich nur wenige. Kaum eine Stellenanzeige, in der nicht nach teamfähigen Mitarbeitern gesucht wird. Kaum eine Bewerbung, in der Jobsuchende nicht ihre herausragenden Teamkompetenzen hervorkehren. Und dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – sind wir heute an einem Punkt angelangt, an dem Zusammenarbeit überhand nimmt und uns letzten Endes mehr kostet, als sie uns nützt.

Empirische Daten eines Harvard Forscherteams belegen, dass Teamarbeit in den letzten 20 Jahren über 50% zugenommen hat. Bis zu 80% ihrer regulären Arbeitszeit verbringen Mitarbeiter und Manager pro Woche mit Emails, Telefonaten und in Meetings. Nur 20% hingegen – das sind bei einer 40 Stundenwoche gerade einmal acht Stunden – können sie konzentriert arbeiten und ihren eigentlichen Aufgaben nachgehen.

Hinzu kommt eine gewaltige Schieflage hinsichtlich des In- und Outputs von Teamarbeit. In den meisten Fällen (hier wurden über 300 Unternehmen untersucht) kommen 25-30% der in Zusammenarbeit erzielten Ergebnisse durch 3-5% der Beteiligten zustande. Das heißt: Wenige Top-Leute stemmen die Arbeit, für die sich ein ganzes Team auf die Schultern klopfen lässt. Das bedeutet leider auch, dass die Spitzenkräfte immer stärker eingebunden und belastet werden, während sich andere auf ihre Kosten ausruhen. Und schlimmer noch: Meist wird das den fleißigen Arbeitsbienen nicht einmal gedankt und anerkannt, denn Führungskräfte loben lieber das Team, als einzelne daraus hervorzuheben. Das wiederum führt nicht nur zu einer großen Belastung sondern schließlich auch zur Frustration gerade der besten Mitarbeiter. Und das soll Teamwork sein?

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Wie können wir dem entgegenwirken?

Zunächst einmal können die Beiträge, die einzelne Mitglieder eines Teams leisten, aufgedröselt werden in

  1. Wissen,
  2. Soziale Beziehungen und Netzwerke und
  3. Zeit.

Wissen kann weitergegeben werden, ohne dass eine Person zwingend anwesend sein muss. Soziale Beziehungen können nicht ohne weiteres übergeben, aber dennoch vermittelt und hergestellt werden. Bleibt am Ende die Zeit, die eine Person in einem Meeting einbringen muss, die nicht weiter gereicht oder auf ein anderes Teammitglied übertragen werden kann. Und gerade dies ist die oft wertvollste Ressource.

Doch kann auch mit ihr sparsamer umgegangen werden. Nicht immer müssen alle Personen in einem Meeting anwesend sein, die über das entsprechende Wissen verfügen. Auch nicht all diejenigen, die die besten Kontakte haben. Beides kann auf bilateralem Weg schneller und effizienter weitergegeben werden.

Nein-sagen erlauben

Auch können – nein müssen – Führungskräfte diejenigen Mitarbeiter erkennen und anerkennen, die am meisten für Teamaufgaben beansprucht werden. Dabei müssen sie sich nicht allein auf ihre Beobachtungsgabe und ihr Bauchgefühl verlassen. Es gibt mittlerweile online Tools, die Kalender auswerten und zusammenfassen, wie viel Zeit welcher Mitarbeiter in Meetings und in konzentrierter Alleinarbeit verbringt. Sind diese erst einmal identifiziert, kann ein klärendes Gespräch nicht nur die nötige Anerkennung bringen, sondern auch die Erlaubnis, öfters mal nein zu sagen oder an Kollegen zu übergeben, wenn die Anfragen überhand nehmen.

FALSCH! Teamwork beschwören, aber nur Einzelleistungen honorieren

Die bereits erwähnte Harvard Studie zeigt, dass nur in etwa die Hälfte der stark in Anspruch genommenen Teamplayer auch zu den wahrgenommenen Top-Performern gehören. Die andere Hälfte rackert sich ab, ohne überhaupt bemerkt zu werden. Unter Umständen leidet die eigene Leistung sogar unter der Inanspruchnahme durch die Kollegen. 20% der wahrgenommenen Leistungsträger im Unternehmen bieten hingegen gar keine Unterstützung an. Sie nehmen sie zwar in Anspruch, verbuchen herausragende Erfolge aber allein auf ihre Kappe und heimsen sämtliches Lob dafür ein. Diese Lücke zu schließen, liegt in der Hand der Vorgesetzten, die häufig zwar Teamwork beschwören, aber nur Einzelleistungen honorieren. Die Kunst liegt darin, Mitarbeiter auszumachen, die beides schaffen. Im Sport gelingt dies heute schon ganz gut. Gerade beim Fußballspiel werden nicht nur die Torjäger erwähnt, sondern auch die Spieler, die gute Vorlagen geben.

Weniger Rücksprachen einfordern

Doch nicht nur Meetings, sondern auch die sich immer stärker ausbreitende Rücksprache- und Absicherungsmentalität beansprucht viele Mitarbeiter übermäßig. Als Führungskraft können Sie Mut und Eigeninitiative fördern und fordern und damit vor allem auch sich selbst entlasten. Ein schönes Beispiel dazu beschreibt der Google Personalchef Laszlo Bock in seinem Buch Work Rules!

Technische Hilfsmittel verwenden

Auch die Technik hilft uns immer stärker dabei, Zusammenarbeit zu fördern, ohne sich dafür immer wieder aufs Neue in Persona austauschen oder auf den aktuellen Stand bringen zu müssen. Gemeinsames Arbeiten an zentral abgelegten Dateien ist nur ein Anfang. Sogenannte Collaboration Tools wie Slack oder Salesforce Chatter helfen Mitarbeitern dabei, Informationen, Fortschritte und Ideen zu teilen und sich im ganzen Unternehmen auszutauschen, egal wo sie sich gerade befinden.

Fazit: Teamwork ist wichtig und wird es auch weiterhin bleiben. Aber mehr ist nicht automatisch besser. Es ist nicht nur Aufgabe der Führungskräfte, sondern auch jedes einzelnen Mitarbeiters, das richtige Maß zu finden, um Wissen, Netzwerke und Zeit effizient und effektiv einzusetzen. Dafür braucht es klare Ansagen und ein Agieren mit Augenmaß.