Fünf Jahre Home-Office

Meine fünf wichtigsten Erfahrungen…

Ich weiß ja nicht wie es Euch geht, aber ich finde die Erinnerungsfunktion von Facebook klasse. Vor ein paar Tagen habe ich mich doppelt und dreifach über den wunderbaren Sonnenschein gefreut, nachdem ich von Facebook daran erinnert wurde, dass ich am selben Tag vor einem Jahr bei grauem Nieselregen auf der Autobahn unterwegs war. Und vor ein paar Wochen habe ich wehmütig Urlaubsbilder aus San Francisco angeschaut, die sage und schreibe schon acht Jahre alt waren. Eine nette Sache finde ich, den ein oder anderen Moment im Leben noch einmal Revue passieren zu lassen. Heute früh erschien ein Beitrag vom 26. September 2011 auf meinem Bildschirm:

„Erster Tag im Home-Office. Lange nicht so produktiv gewesen 🙂 “

Es ist heute genau fünf Jahre her, dass ich zum ersten Mal von meinem eigenen Schreibtisch – also von zuhause aus – gearbeitet habe! Ok, so ganz stimmt das nun auch wieder nicht, denn als Studentin habe ich das fast immer getan (ich war keine besonders begeisterte Bibliothekengängerin). Aber tatsächlich gearbeitet, also damit auch meinen Lebensunterhalt verdient, habe ich heute vor fünf Jahren zum ersten Mal außerhalb eines Büros.

Genug Zeit, um meine Erfahrungen mal in ein paar Zeilen mit ein paar Anregungen zusammenzufassen:

  1. Ich bin produktiver geworden. Ganz sicher habe ich heute nicht weniger, sondern deutlich mehr Arbeit als in meiner Zeit als Angestellte. Aber da ich sie nach meinem eigenen Rhythmus erledigen kann, fällt sie mir deutlich leichter und ich erledige in weniger Zeit viel mehr als früher. Dabei sitze ich auch nicht mehr täglich stundenlang nur am Schreibtisch. Wenn ich zum Beispiel eine Denkblockade habe oder eine wichtige Entscheidung treffen muss, schwinge ich mich auf mein Fahrrad oder gehe eine Runde spazieren. 30 Minuten können da schon Wunder wirken und mir stundenlanges Brüten vorm Bildschirm ersparen. Telefonate verlege ich wenn möglich ins Auto. Dort sitze ich ohnehin oft und lange auf dem Weg zu Terminen und so kann ich die Zeit gleich sinnvoll nutzen.
  2. Ich habe mehr Freizeit – zumindest fühlt es sich so an. Obwohl ich ohnehin weniger als früher zwischen Arbeit und Leben trenne, habe ich gefühlt auch mehr freie Zeit zur Verfügung. Denn ich kann fast zu jeder Tageszeit Dinge tun, die ich früher alle auf den Abend oder aufs Wochenende verschieben musste. Zum einen kann ich damit Stoßzeiten und Staus umgehen, zum anderen kann ich Dinge dann tun, wenn ich wirklich Lust darauf habe. Die Sonne scheint und ich möchte einen Kaffee auf der Terrasse genießen? Also nehme ich den Artikel mit und lese ihn im Freien, anstatt im Büro. Gerade jetzt im Sommer bin ich auch gerne mal vormittags ins Freibad gegangen, wenn noch wenig los ist. Dann sitze ich abends auch gerne mal ein bisschen länger an einer Präsentation, die trotzdem bis zum nächsten Tag fertig sein muss.
  3. Ich könnte nie mehr zurück in eine Arbeitswelt, die von Anwesenheitsritualen und Stechuhren geprägt ist. Früh morgens im Stau stehen, eine Stunde abgezogen kriegen, obwohl man mitten im Workflow ist und keine Lust auf Mittagspause hat, dafür nachmittags aber sinnlos die Zeit abzusitzen, weil man auf eine Rückmeldung wartet, ohne die man gerade nicht weiterkommt… All das war für mich wirklich der blanke Horror (klingt etwas dramatisch, aber es stimmt). Heute arbeite ich ergebnisorientiert und so, wie es zu meiner Arbeit und mir am besten passt. Ohne äußere Zwänge, die mich einengen, behindern oder bevormunden.
  4. Ich bin trotzdem noch Teil mehrerer Teams. Nur weil ich nicht mehr in einem Gebäude mit ihnen sitze, bin ich trotzdem eine Kollegin geblieben. Zwar äußert sich der Kollegenstatus bei uns Freiberuflern in etwas anderen Formen, aber ich arbeite weiterhin regelmäßig mit Menschen zusammen, die mir ebenso vertraut sind, wie es früher meine Kollegen vor Ort waren. Wir kommen jede Woche zu virtuellen Team Meetings zusammen und treffen uns alle paar Monate für zwei Tage an einem Ort. Und da reden wir natürlich nicht nur strictly Business, sondern auch über private Dinge. So wie es Kollegen eben tun. Klar, musste ich mich daran auch erst irgendwie gewöhnen. Lernen, dass eine Ice Breaker Question keine Zeitverschwendung ist, sondern dazu beträgt, dass wir uns trotz großer Entfernungen ein wenig näher fühlen.
  5. Ich wünsche mir, dass ich bald keine Ausnahme mehr bin. In meiner Arbeit vor Ort begegne ich natürlich auch vielen Zweiflern und Gegnern der modernen Arbeitswelt. Menschen, für die mobiles Arbeiten immer noch mit dem Home-Office der Kollegin gleichgesetzt wird, die behauptet zu arbeiten, während sie ihre Kinder versorgt und den Haushalt erledigt. Dabei bieten moderne Arbeitsplätze so viel mehr als das und zahlen sich nicht nur für Mitarbeiter, sondern auch für Unternehmen aus, wie unsere Erfahrungen aber auch Studien ein ums andere Mal belegen.